Ein Portrait

Im Atelier ist es dunkel. Der frisch gefallene Schnee wirft ein fahles Licht auf den Boden. Da liegen grosse Bilder zum Trocknen. Wie Boote auf einem stillen Wasser. Oder sind es nicht doch in eine Fläche ausgepresste Leiber – Pflanzliches, Tierisches, Fleisch in der einen oder anderen Auslegung –, die dort auf den nächsten Morgen warten, auf das Licht? Das frühe Licht wird aus den Schichtungen, den Verläufen, den Rändern und Strudeln wieder Knochen, Sehnen und Häute machen. Es riecht nach Teer, nach Mohnöl, nach Ölfarben. Die geruchlosen Pigmente sind reitende Boten. Zwischen die Zweige, zwischen die Tiere, die mit Blattgold umrandeten Köpfen und die immer wieder aufscheinenden Gevierte – sind es Mauern, Gerüste oder der Grundriss eines Hauses? – pflanzen sie wilde Gärten. In denen ist es still wie in Bildern, und doch gibt es da eine tiefe Unruhe, ein Rascheln zwischen den Blättern und sogar ein Knistern in den Fingerkuppen, wenn sie in Bodennähe über das dort Ausgelegte hinwegstreichen. In den Dickichten der Farbe spiegeln sich die Sterne und ein Horizont ohne Namen. Hinter dem Gewebe der Farbe befindet sich unbehauste Zeit – ein kristalliner Ort, in dem schimmern die Leiber auf wie in einem gefrorenen Wasser. Der Hirsch, der Hund, das Schaf. Die Frau, das Kind. Dann ist die Frau ohne Schuhe über das Eis gelaufen. Ich sah Tage später Goldstaub an den Händen der Malerin und fragte sie, warum sie die Köpfe mancher Frauen und einiger Tiere auf ihren Bildern damit umrandet habe. Licht und Zeit, antwortete sie. Nur das. Gold ist ein Metall des Übergangs, hatte sie einmal auf einen Zettel geschrieben, erinnerte ich mich später.